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Saskia Nitsche 
2021C024

Wir traten aus dem Aufzug. Ein Sammelwagen für schmutzige Hotelwäsche stand auf dem Flur des Flughafenhotels, auf dem auch andere Fluggäste gerade dabei waren, ihre Zimmertüren aufzuschließen und ihre Koffer über die Schwellen zu ziehen, und ich sah keinen Unterschied zwischen dem Wagen und Ava, die den Flur entlangging und die Türen nach unserer Nummer absuchte, weil es in meinem Kopf völlig still war, weil jedes Begreifen zu einem Ende gekommen war.

»Ava«, sagte ich, »es ist so still, dass ich den Eindruck habe, ich bin gar nicht da.«
»Am Ende werden wir sagen, wir sind damals nicht dabei gewesen«, sagte Ava.

 

Wir stiegen in die Dusche. Die Reifen der Busse, die uns vom Terminal zum Hotel gebracht hatten, quietschten auf der Straße. Dort oben, wo wir eben noch gewesen waren, ganz weit hinten in der Welt, auch dort war niemand, der in dieser Nacht etwas hätte verstehen können. Wir hatten nichts begriffen, während der ganzen Flugreise nicht, in all den 23 Stunden, die wir hierhergekommen waren, hatten wir Stunde für Stunde nichts begriffen. Man hatte uns vorbereitet, hatte gesagt, es sei ungewiss, ob wir landen könnten und wann. Dann das gleißende Licht der Busscheinwerfer auf dem Rollfeld, überhitzte Busse, die uns unter Militärschutz abgeholt hatten, einer der Hunde in der Ferne auf dem Rollfeld und das Warten in diesem Hotelzimmer, auf ein Verstehen, darauf, dass es weiterging.

Ich stieg aus der Dusche und lief nackt durch das Zimmer, öffnete die Minibar. Ava trocknete sich ab, langsam, als wäre das Abtrocknen eine Möglichkeit gewesen, Zeit zu gewinnen, weil sie nicht wusste, was als Nächstes kommen sollte.

Der Alarm tönte durch die Lautsprecher im Flur und weil sie uns gesagt hatten, dass dieser Alarm es sei, auf den wir warten sollten, weil er bedeutete, dass wir in unseren Zimmern bleiben sollten, machten wir ein ernstes Gesicht.

Ich bemerkte, dass ich nur noch von außen auf mich sehen konnte, als wäre etwas verrutscht, als könnte ich nur noch in der dritten Person von mir denken, das war neu.

Alles ist wie immer, sagte ich mir, hauptsächlich, um mir etwas zu sagen, und ich sah, wie auch Ava sich noch immer abtrocknete, als wäre nichts anders und niemals etwas anders gewesen. Ihre Blicke glitten in dem kleinen Badezimmer hin und her.

Draußen hörte ich jemanden auf der Straße brüllen, ein Betrunkener, der nicht mitbekommen hatte, was mit dem Rest der Welt unterdessen geschehen war.

Ich ging zurück zu Ava ins Bad, weil ich nicht wusste, wo ich sonst hinsollte. Wir waren die Nacht und wir waren die beiden Gestalten, die sich in das enge, dunkle Bad des Flughafenhotels drängten, in dem sich überall Schimmel in die Fugen geheftet hatte. Wir waren die Sterne in dieser Nacht, das hatte Ava schon im Flugzeug gesagt, und wir waren einander ein Halt gewesen, bis wir uns in die Augen gesehen und begriffen hatten, dass wir einander diesmal nicht helfen konnten.

Im Zimmer nahm ich das Telefon und rief an der Hotelrezeption an. Sie sagten, dass die Panzer die Stadtgrenze nördlich des Flughafens passiert hätten und dass niemand gedacht hätte, dass es tatsächlich so schnell geschehen könne, dass es doch auf alle noch immer wie eine Fiktion wirken würde und man besser auf dem Zimmer bleiben solle. Ava griff nach der Nagelfeile, die auf der Ablage über dem Waschbecken bereitlag, und dann rutschte sie einfach in sich zusammen, schlug auf den Fliesen auf. Ich ließ sie liegen. Die Einsicht, dass sie nicht hier war und dass ich nicht hier war. Ich war hilflos geworden gegenüber Ava und gegenüber der ganzen Existenz, seit wir auf dem staubigen Teppichboden eines Flughafenhotels entlangschlichen, Gestalten, die in den Himmel sahen und wussten, dass die Sterne, die sie dort oben entdeckten, so bereits lange nicht mehr existierten.

Ich machte mir Vorwürfe. Als hätte ich auf diese Einsicht gewartet, um nicht mehr handeln zu müssen, um alle Verantwortung abgeben zu können, die ich jemals gehabt hatte. Ich hatte Angst, dass ich keine Antworten finden würde auf alle Fragen, die noch offen waren, und ich dachte, dass die Tatsache, dass das Militär in diesem Land, in dem auch wir gerade zufällig erschienen waren, die Grenze passierte, mir zugleich wie eine Befreiung vorkam, denn nun war nicht sicher, ob ich überhaupt noch Antworten finden müsste.

 

In der Dunkelheit der Nacht beugte sich Ava aus dem Fenster, um die Straße einzusehen. Sie hielt sich das vom Sturz geschwollene Knie. Einheimische Panzer hatten sich an der Wegbiegung der Allee, in der sich das Hotel befand, positioniert. Und Ava zählte sie, wie sie immer alles zählte.

»Sieben«, sagte sie. Wie viele außerdem um die Ecke seien, wisse sie nicht, wie wir überhaupt nichts wüssten.

Es ist schön hier bei Nacht. Wie es aussah, würden wir unsere Dokumentation nicht drehen können, also dachte ich mir den Titel für unseren nächsten Kurzfilm aus, den wir schreiben könnten, sobald wir zurück in Quebec wären. Ava hätte ihn kitschig gefunden, also sprach ich ihn nicht aus.

Im Bad sprudelte Wasser aus dem Abfluss, machte gurgelnde Geräusche und dann klapperte es leise, als wäre das Abflussblech mit dem Wasser ein wenig nach oben gehoben worden und nun wieder zurück an seinen Platz auf der Keramik des Waschbeckens gefallen. Ich studierte die Frühstückskarte auf dem Nachttisch. Continental. Es gab das gleiche wie in allen Hotels der Welt, in denen ich jemals gewesen war. In Dubai, in New York, in London, in Paris. Dubai hatte ich gemocht, an alle anderen Städte konnte ich mich nicht erinnern.

»Was machen wir nun?«, fragte Ava und ich schlug ein Spiel vor, das wir immer dann spielten, wenn wir nicht wussten, wo die Unendlichkeit, in die sich die Zeit vor uns ausdehnte, zu einem Ende kommen würde.

»Was lässt dich Druck fühlen?«, fragte ich Ava und sie sagte: »Projektionen auf mich«, sie sagte:
»Ungewissheit«, sie sagte: »Gedanken überhaupt«, und ich nickte, weil ich Ava immer verstehen konnte.

»Was liebst du?«, fragte Ava mich und ich sagte: »Stille«, ich sagte, dass ich auch Ava lieben würde und ihre Gegenwart.

Der Alarm ertönte erneut und sicherlich würden sich alle Hotelgäste daran halten und die Zimmer nicht verlassen, wobei ich mir nicht sicher war, ob es nicht auch Gäste gab, deren Toilette auf einem der Flure lag, und was geschehen würde, wenn einer von ihnen hierfür den Gang betreten müsste.

 

Auf dem Hotelbett drückten wir uns aneinander. In der Stille der Nacht waren wir uns so fremd geworden, dass wir nur noch Organismen wahrnahmen, die sich aus Fleisch und vielmehr noch aus Wasser zusammensetzten, und wir wussten voneinander, dass wir beide noch nie begriffen hatten, weshalb die Materie, aus der wir bestanden, in einen Stecknadelkopf passen sollte oder auch in eine noch viel kleinere Form, weil ja schließlich bereits das ganze Universum in einen Stecknadelkopf passte.

Das war alles, was wir voneinander hatten wissen müssen, damals in der Kneipe, in der wir uns getroffen hatten, dass wir dieses nicht begriffen; es hatte genügt, um miteinander weiterzugehen.

In diesem Hotel war das Licht über dem Waschbecken grell, es schien durch die offen stehende Badtür auf die Dunkelheit des Teppichbodens, erinnerte an das blendende Licht der Toilette der Bar, in der ich Ava kennengelernt hatte.

Ich sah auf den Organismus, der vor mir lag, und ich fragte mich, ob Ava nur deshalb nicht gekränkt war von diesem sehr speziellen Blick, den ich sicherlich an mir hatte, weil auch sie in mir nichts anderes mehr sehen konnte als einen Organismus, weil auch sie längst zu der Überzeugung gekommen war, dass wir beide hier in diesen Körpern in dieser Nacht nicht anwesend waren.

Als unsere Rümpfe aufeinander zuglitten, zeigten wir unser stummes Einverständnis.

»Was liebst du?«

»Ich liebe die Stille, dass es keinen Unterschied gibt zwischen einem Panzer und einem Flusspferd, es sei denn, ich denke mir einen aus. Dass ich mit dir hier bin und dass niemand von uns glaubt, wirklich dabei zu sein.«

Dann schliefen wir ein.

 

Die Sonne ging auf, zwei Stunden, nachdem erneut der Alarm ertönt war. Als wir aus dem Fenster sahen, lagen die Panzer noch immer wie friedliche Flusspferde in der Allee.

»Wenn wir hier bleiben müssen, könnten wir uns daran gewöhnen müssen, an die Gegenwart dieser Maschinen«, sagte ich. »Aber was wäre schlimm daran, es sind nur ein paar Flusspferde in einer Allee, oder?«, fragte ich Ava und Ava wiederholte: »Flusspferde in einer Allee.«

Ich dachte, dass sich etwas ereignete, dem man Ausmaße beimessen würde, das aber von diesem Punkt, von dem aus wir darauf blickten und von dem aus Bedeutungen nicht länger existierten, klein war wie die Unendlichkeit weit, dass es niemals eine Bedeutung haben würde, außer wir würden sie unter Anstrengung erschaffen. Dass unsere Gedanken wahrscheinlich politisch nicht besonders engagiert waren, dachte ich auch.

 

Am späten Morgen bogen sich die dürren Bäume in der Allee in alle Richtungen und auch Ava schlug mit ihren Gliedmaßen um sich. Ich nahm meine Bettdecke und warf sie auf sie, bevor ich aufstand und auf das Telefon blickte, auf dem die Anruftaste rot leuchtete. Niemand hatte einen Anruf gehört, weder in der Nacht, in der wir die meiste Zeit ja doch nicht geschlafen hatten, noch in den Morgenstunden, und was hätten sie auch wollen können, in der Reglosigkeit dieser Situation gab es nichts zu sagen. Ich drückte die Taste, von der ich mir versprach, dass sie auf dem Display zeigen würde, wer angerufen hatte, und tatsächlich war es die Rezeption gewesen, doch als ich zurückrief, nahm niemand ab.

Ich war mir nicht länger sicher, ob ich in einem Hotelzimmer war, ob Ava dort unter den beiden Decken lag, es hätte auch eine Vorstellung sein können, die ich in diesem Augenblick für wahr hielt.

Ava bewegte sich und schlug die Augen auf. Hätte ich gesagt, was ich dachte, sie hätte es verstanden, und wahrscheinlich deshalb kam es uns nicht länger richtig vor, einander zu berühren. Weil wir beide wussten, dass wir nur mehr der Raum waren, durch den unsere Vorstellungen hindurchgingen, ich durch ihren und sie durch meinen. Es musste der Eindruck der drohenden Vernichtung gewesen sein, der in der letzten Nacht dazu geführt hatte, dass wir uns doch berührt hatten, einfach und letzten Endes nur, weil es uns eine Sicherheit vorgemacht hatte.

Ava schlug die Decken zurück und ging ins Bad. Sie schloss die Tür nicht, die meiste Zeit nahmen wir keine Notiz voneinander. So war es auch jetzt, in diesem Moment, in dem die Panzer draußen parkten und die Hunde sich duckten vor den Schatten, die sie in die Straße warfen.

 

Gegen Mittag bestellte Ava Chickenwings. Später brauchte sie meine Hand auf ihrem Bauch, von den Chickenwings war ihr schlecht. Ein Bediensteter in einem schmutzigen Jackett, wie man es nur in einem billigen Flughafenhotel tragen konnte, hatte sie auf das Zimmer gebracht. Wir hatten geschwiegen, keiner von uns hatte die Frage ausgesprochen, weshalb er auf den Fluren herumlief, obwohl wir, die Hotelgäste, dazu angehalten worden waren, nicht hinauszugehen. Bloß eines sagte Ava, als wir wieder alleine waren: »Sie könnten uns sagen, dass wir nicht hinaus dürften und aus Angst würden wir bleiben. Selbst wenn dort keine Hunde im Panzerschatten herumliefen und auch überhaupt keine Panzer dort stünden.«

Einer der Militärhunde, eine aggressive Rasse, die in den letzten Jahren in diesem Land zur Verteidigung gezüchtet worden war, für den Staatsschutz, wie uns die Frau an der Rezeption erklärt hatte, stand noch immer im Schatten einer der Panzer, als wir noch einmal die Allee hinuntersahen.

Im Bad hustete ich Blut. Wenn ich nervös war, hustete ich Blut. Ich hatte es Ava nie gesagt. Schon als Kind hatte ich es getan. Es hatte den Eltern Angst gemacht und den Kindergärtnerinnen hatte es Angst gemacht und schließlich hatte ich beschlossen, nicht mehr darüber zu sprechen. Ich spuckte das Blut ins Waschbecken und spülte es hinunter.

Im Badmülleimer lagen die Knochen der Chickenwings. Ava hatte sie dort hineingeleert und als ich mich später noch einmal ins Bett legte, kam diese Angst in mir hoch, die zu einer Panik wurde, dass die Hunde in unser Zimmer kommen könnten, wenn sie die Knochen der Chickenwings röchen. Obwohl sie nicht im Hotel, sondern auf der Straße herumliefen, schlief ich ein mit dieser Angst, die im ganzen Körper brannte.

 

Am Nachmittag duschte Ava noch einmal. Weil sie nicht wüsste, was sie sonst tun solle, sagte sie.

Ich konnte die Knochen der Chickenwings aus dem Bad riechen. Ich prüfte meine Kleidung und stellte fest, dass auch sie roch. Ich schwitzte und mein Schweiß roch ebenfalls nach Chickenwings.

Die Werbung im Fernseher, den ich eingeschaltet hatte, pries eine einheimische Fluggesellschaft an und ich fragte mich, ob wir je wieder hier herauskommen würden. Das Hotelzimmer war die Schlucht, in die wir letzte Nacht hineingerutscht waren, eine Stille, die sich überallhin ausbreitete, die sogar Ava im Bad verschlang. Sie war aus meinem Wahrnehmungsraum geglitten, sobald sie ins Bad hineingegangen war, ich konnte sie nicht erinnern. Ich rief ein Foto auf meinem Smartphone auf, um mir ins Gedächtnis zu rufen, wie sie aussah, doch sobald ich es wegdrückte, war sie so weit weg, wie die Hunde hinter den Panzern für mich weit weg waren, weil plötzlich alles gleichermaßen unwirklich schien. Nur die Angst war echt und weil der Geruch der Chickenwings mich an sie erinnerte, verschwand sie nicht.

Ava kam aus dem Bad, sie war noch nackt und trocknete sich die Beine ab.

Kurz darauf rief die Rezeption an. Man hatte Shuttles organisiert, die uns zum Flughafen zurückbringen sollten. Ava sagte, sie habe Hunger und dass sie noch einmal Chickenwings essen wolle. Ich sagte, dass ich zum Flughafen wolle.

 

Als die Shuttles kamen, schirmten bewaffnete Männer des Militärs die Einfahrt zum Hotel ab. Mit den Koffern stiegen wir die Treppe in den kleinen Bus nach oben. Irgendwo zwischen dem Flughafenhotel und dem Flughafen hielt der Bus an und ein Offizier verlangte nach Papieren, die der Fahrer aus dem Fenster reichte, als hätten wir gerade eine Grenze passiert, als hätten wir nicht einige Meter, sondern viele hundert Kilometer zurückgelegt. Das Flugfeld erstreckte sich neben uns und erinnerte an eine Wüste ohne Ränder.

Ava legte ihre Hand auf meinen Arm. »Die Hunde«, sagte sie und deutete das Flugfeld hinunter, wo zwei der Hunde im Panzerschatten saßen.

»Nein«, schrie ich, als ich sah, wie sich ihnen jemand mit einem auf sie gerichteten Gewehr näherte. Die Türen des Busses schlossen sich. Ich öffnete die Augen erst wieder, als wir vor dem Flughafeneingang hielten.

»Wir sind nicht dabei gewesen«, sagte Ava.

Ich nickte, viel später erst, als wir bereits in die Maschine stiegen. Wie immer lösten das grelle Blau der Sitze und die Enge des Flugzeugs Schwindel in mir aus. Ava nahm meine Hand und las die Snackkarte.

Wir hoben ab. Ich blickte auf das Flugfeld. Hunde im Panzerschatten, der sie schwarz färbte wie die Nacht. Ich erkannte ihre Umrisse nur unscharf. Später bestellte Ava Chickenwings. Vom Geruch wurde mir schlecht.

 

Ava hatte die Schachtel mit den restlichen Chickenwings von sich geschoben, sie hatte sich die Finger abgeleckt und dann die Serviette, an der sie die nassen Finger abgewischt hatte, in das Netz am Sitz vor sich gesteckt.

»Nichts«, sagte ich, und meinte die letzten Stunden, weil irgendwie davon jetzt schon nichts mehr übrig war.

»Ich kann nicht verstehen, was geschehen ist«, sagte ich, »nichts bleibt, aber trotzdem sind da diese Spuren, die den Eindruck erwecken, dass etwas gewesen sein muss.«

»Ich hab frisch gewaschene Haare«, sagte Ava, »das muss ein Zeichen sein, dass ich irgendwo gewesen bin, dass ich dort geduscht habe, das ist ein Zeichen, dass ich irgendwie dabei gewesen bin.«

Und ich schob Ava ein wenig auf ihre Seite, weil sie diese Angewohnheit hatte, immer etwas mehr Platz einzunehmen, als ihr zustand. Ava war dünn, aber ihr Organismus konnte sich aufquellen, das hatte ich schon immer an ihr bewundert, dass Ava die Fähigkeit hatte Raum einzunehmen, egal, wo sie war. Ich sah aus dem Fenster, die Wolkendecke unter uns war dicht. 23 Stunden, dachte ich, und ob wir etwas begriffen haben würden, wenn wir angekommen wären, fragte ich mich, und dass das äußerst ungewiss wäre, dachte ich auch.

»Ava«, sagte ich, »ist es nicht, als wäre diese Erfahrung immer schon da gewesen, als hätten wir immer schon gewusst, dass das, was wir für uns hielten, durch die kleinste Unsicherheit jederzeit ausgelöscht werden könnte?«

Ava murmelte etwas, das ich nicht verstand. Dann schlief sie ein. Wir bewegten uns lautlos über den Ozean. Es roch nach Fett.

 

    

 

Wir traten aus dem Aufzug. Ein Sammelwagen für schmutzige Hotelwäsche stand auf dem Flur des Flughafenhotels, auf dem auch andere Fluggäste gerade dabei waren, ihre Zimmertüren aufzuschließen und ihre Koffer über die Schwellen zu ziehen, und ich sah keinen Unterschied zwischen dem Wagen und Ava, die den Flur entlangging und die Türen nach unserer Nummer absuchte, weil es in meinem Kopf völlig still war, weil jedes Begreifen zu einem Ende gekommen war.

»Ava«, sagte ich, »es ist so still, dass ich den Eindruck habe, ich bin gar nicht da.«
»Am Ende werden wir sagen, wir sind damals nicht dabei gewesen«, sagte Ava.

 

Wir stiegen in die Dusche. Die Reifen der Busse, die uns vom Terminal zum Hotel gebracht hatten, quietschten auf der Straße. Dort oben, wo wir eben noch gewesen waren, ganz weit hinten in der Welt, auch dort war niemand, der in dieser Nacht etwas hätte verstehen können. Wir hatten nichts begriffen, während der ganzen Flugreise nicht, in all den 23 Stunden, die wir hierhergekommen waren, hatten wir Stunde für Stunde nichts begriffen. Man hatte uns vorbereitet, hatte gesagt, es sei ungewiss, ob wir landen könnten und wann. Dann das gleißende Licht der Busscheinwerfer auf dem Rollfeld, überhitzte Busse, die uns unter Militärschutz abgeholt hatten, einer der Hunde in der Ferne auf dem Rollfeld und das Warten in diesem Hotelzimmer, auf ein Verstehen, darauf, dass es weiterging.

Ich stieg aus der Dusche und lief nackt durch das Zimmer, öffnete die Minibar. Ava trocknete sich ab, langsam, als wäre das Abtrocknen eine Möglichkeit gewesen, Zeit zu gewinnen, weil sie nicht wusste, was als Nächstes kommen sollte.

Der Alarm tönte durch die Lautsprecher im Flur und weil sie uns gesagt hatten, dass dieser Alarm es sei, auf den wir warten sollten, weil er bedeutete, dass wir in unseren Zimmern bleiben sollten, machten wir ein ernstes Gesicht.

Ich bemerkte, dass ich nur noch von außen auf mich sehen konnte, als wäre etwas verrutscht, als könnte ich nur noch in der dritten Person von mir denken, das war neu.

Alles ist wie immer, sagte ich mir, hauptsächlich, um mir etwas zu sagen, und ich sah, wie auch Ava sich noch immer abtrocknete, als wäre nichts anders und niemals etwas anders gewesen. Ihre Blicke glitten in dem kleinen Badezimmer hin und her.

Draußen hörte ich jemanden auf der Straße brüllen, ein Betrunkener, der nicht mitbekommen hatte, was mit dem Rest der Welt unterdessen geschehen war.

Ich ging zurück zu Ava ins Bad, weil ich nicht wusste, wo ich sonst hinsollte. Wir waren die Nacht und wir waren die beiden Gestalten, die sich in das enge, dunkle Bad des Flughafenhotels drängten, in dem sich überall Schimmel in die Fugen geheftet hatte. Wir waren die Sterne in dieser Nacht, das hatte Ava schon im Flugzeug gesagt, und wir waren einander ein Halt gewesen, bis wir uns in die Augen gesehen und begriffen hatten, dass wir einander diesmal nicht helfen konnten.

Im Zimmer nahm ich das Telefon und rief an der Hotelrezeption an. Sie sagten, dass die Panzer die Stadtgrenze nördlich des Flughafens passiert hätten und dass niemand gedacht hätte, dass es tatsächlich so schnell geschehen könne, dass es doch auf alle noch immer wie eine Fiktion wirken würde und man besser auf dem Zimmer bleiben solle. Ava griff nach der Nagelfeile, die auf der Ablage über dem Waschbecken bereitlag, und dann rutschte sie einfach in sich zusammen, schlug auf den Fliesen auf. Ich ließ sie liegen. Die Einsicht, dass sie nicht hier war und dass ich nicht hier war. Ich war hilflos geworden gegenüber Ava und gegenüber der ganzen Existenz, seit wir auf dem staubigen Teppichboden eines Flughafenhotels entlangschlichen, Gestalten, die in den Himmel sahen und wussten, dass die Sterne, die sie dort oben entdeckten, so bereits lange nicht mehr existierten.

Ich machte mir Vorwürfe. Als hätte ich auf diese Einsicht gewartet, um nicht mehr handeln zu müssen, um alle Verantwortung abgeben zu können, die ich jemals gehabt hatte. Ich hatte Angst, dass ich keine Antworten finden würde auf alle Fragen, die noch offen waren, und ich dachte, dass die Tatsache, dass das Militär in diesem Land, in dem auch wir gerade zufällig erschienen waren, die Grenze passierte, mir zugleich wie eine Befreiung vorkam, denn nun war nicht sicher, ob ich überhaupt noch Antworten finden müsste.

 

In der Dunkelheit der Nacht beugte sich Ava aus dem Fenster, um die Straße einzusehen. Sie hielt sich das vom Sturz geschwollene Knie. Einheimische Panzer hatten sich an der Wegbiegung der Allee, in der sich das Hotel befand, positioniert. Und Ava zählte sie, wie sie immer alles zählte.

»Sieben«, sagte sie. Wie viele außerdem um die Ecke seien, wisse sie nicht, wie wir überhaupt nichts wüssten.

Es ist schön hier bei Nacht. Wie es aussah, würden wir unsere Dokumentation nicht drehen können, also dachte ich mir den Titel für unseren nächsten Kurzfilm aus, den wir schreiben könnten, sobald wir zurück in Quebec wären. Ava hätte ihn kitschig gefunden, also sprach ich ihn nicht aus.

Im Bad sprudelte Wasser aus dem Abfluss, machte gurgelnde Geräusche und dann klapperte es leise, als wäre das Abflussblech mit dem Wasser ein wenig nach oben gehoben worden und nun wieder zurück an seinen Platz auf der Keramik des Waschbeckens gefallen. Ich studierte die Frühstückskarte auf dem Nachttisch. Continental. Es gab das gleiche wie in allen Hotels der Welt, in denen ich jemals gewesen war. In Dubai, in New York, in London, in Paris. Dubai hatte ich gemocht, an alle anderen Städte konnte ich mich nicht erinnern.

»Was machen wir nun?«, fragte Ava und ich schlug ein Spiel vor, das wir immer dann spielten, wenn wir nicht wussten, wo die Unendlichkeit, in die sich die Zeit vor uns ausdehnte, zu einem Ende kommen würde.

»Was lässt dich Druck fühlen?«, fragte ich Ava und sie sagte: »Projektionen auf mich«, sie sagte:
»Ungewissheit«, sie sagte: »Gedanken überhaupt«, und ich nickte, weil ich Ava immer verstehen konnte.

»Was liebst du?«, fragte Ava mich und ich sagte: »Stille«, ich sagte, dass ich auch Ava lieben würde und ihre Gegenwart.

Der Alarm ertönte erneut und sicherlich würden sich alle Hotelgäste daran halten und die Zimmer nicht verlassen, wobei ich mir nicht sicher war, ob es nicht auch Gäste gab, deren Toilette auf einem der Flure lag, und was geschehen würde, wenn einer von ihnen hierfür den Gang betreten müsste.

 

Auf dem Hotelbett drückten wir uns aneinander. In der Stille der Nacht waren wir uns so fremd geworden, dass wir nur noch Organismen wahrnahmen, die sich aus Fleisch und vielmehr noch aus Wasser zusammensetzten, und wir wussten voneinander, dass wir beide noch nie begriffen hatten, weshalb die Materie, aus der wir bestanden, in einen Stecknadelkopf passen sollte oder auch in eine noch viel kleinere Form, weil ja schließlich bereits das ganze Universum in einen Stecknadelkopf passte.

Das war alles, was wir voneinander hatten wissen müssen, damals in der Kneipe, in der wir uns getroffen hatten, dass wir dieses nicht begriffen; es hatte genügt, um miteinander weiterzugehen.

In diesem Hotel war das Licht über dem Waschbecken grell, es schien durch die offen stehende Badtür auf die Dunkelheit des Teppichbodens, erinnerte an das blendende Licht der Toilette der Bar, in der ich Ava kennengelernt hatte.

Ich sah auf den Organismus, der vor mir lag, und ich fragte mich, ob Ava nur deshalb nicht gekränkt war von diesem sehr speziellen Blick, den ich sicherlich an mir hatte, weil auch sie in mir nichts anderes mehr sehen konnte als einen Organismus, weil auch sie längst zu der Überzeugung gekommen war, dass wir beide hier in diesen Körpern in dieser Nacht nicht anwesend waren.

Als unsere Rümpfe aufeinander zuglitten, zeigten wir unser stummes Einverständnis.

»Was liebst du?«

»Ich liebe die Stille, dass es keinen Unterschied gibt zwischen einem Panzer und einem Flusspferd, es sei denn, ich denke mir einen aus. Dass ich mit dir hier bin und dass niemand von uns glaubt, wirklich dabei zu sein.«

Dann schliefen wir ein.

 

Die Sonne ging auf, zwei Stunden, nachdem erneut der Alarm ertönt war. Als wir aus dem Fenster sahen, lagen die Panzer noch immer wie friedliche Flusspferde in der Allee.

»Wenn wir hier bleiben müssen, könnten wir uns daran gewöhnen müssen, an die Gegenwart dieser Maschinen«, sagte ich. »Aber was wäre schlimm daran, es sind nur ein paar Flusspferde in einer Allee, oder?«, fragte ich Ava und Ava wiederholte: »Flusspferde in einer Allee.«

Ich dachte, dass sich etwas ereignete, dem man Ausmaße beimessen würde, das aber von diesem Punkt, von dem aus wir darauf blickten und von dem aus Bedeutungen nicht länger existierten, klein war wie die Unendlichkeit weit, dass es niemals eine Bedeutung haben würde, außer wir würden sie unter Anstrengung erschaffen. Dass unsere Gedanken wahrscheinlich politisch nicht besonders engagiert waren, dachte ich auch.

 

Am späten Morgen bogen sich die dürren Bäume in der Allee in alle Richtungen und auch Ava schlug mit ihren Gliedmaßen um sich. Ich nahm meine Bettdecke und warf sie auf sie, bevor ich aufstand und auf das Telefon blickte, auf dem die Anruftaste rot leuchtete. Niemand hatte einen Anruf gehört, weder in der Nacht, in der wir die meiste Zeit ja doch nicht geschlafen hatten, noch in den Morgenstunden, und was hätten sie auch wollen können, in der Reglosigkeit dieser Situation gab es nichts zu sagen. Ich drückte die Taste, von der ich mir versprach, dass sie auf dem Display zeigen würde, wer angerufen hatte, und tatsächlich war es die Rezeption gewesen, doch als ich zurückrief, nahm niemand ab.

Ich war mir nicht länger sicher, ob ich in einem Hotelzimmer war, ob Ava dort unter den beiden Decken lag, es hätte auch eine Vorstellung sein können, die ich in diesem Augenblick für wahr hielt.

Ava bewegte sich und schlug die Augen auf. Hätte ich gesagt, was ich dachte, sie hätte es verstanden, und wahrscheinlich deshalb kam es uns nicht länger richtig vor, einander zu berühren. Weil wir beide wussten, dass wir nur mehr der Raum waren, durch den unsere Vorstellungen hindurchgingen, ich durch ihren und sie durch meinen. Es musste der Eindruck der drohenden Vernichtung gewesen sein, der in der letzten Nacht dazu geführt hatte, dass wir uns doch berührt hatten, einfach und letzten Endes nur, weil es uns eine Sicherheit vorgemacht hatte.

Ava schlug die Decken zurück und ging ins Bad. Sie schloss die Tür nicht, die meiste Zeit nahmen wir keine Notiz voneinander. So war es auch jetzt, in diesem Moment, in dem die Panzer draußen parkten und die Hunde sich duckten vor den Schatten, die sie in die Straße warfen.

 

Gegen Mittag bestellte Ava Chickenwings. Später brauchte sie meine Hand auf ihrem Bauch, von den Chickenwings war ihr schlecht. Ein Bediensteter in einem schmutzigen Jackett, wie man es nur in einem billigen Flughafenhotel tragen konnte, hatte sie auf das Zimmer gebracht. Wir hatten geschwiegen, keiner von uns hatte die Frage ausgesprochen, weshalb er auf den Fluren herumlief, obwohl wir, die Hotelgäste, dazu angehalten worden waren, nicht hinauszugehen. Bloß eines sagte Ava, als wir wieder alleine waren: »Sie könnten uns sagen, dass wir nicht hinaus dürften und aus Angst würden wir bleiben. Selbst wenn dort keine Hunde im Panzerschatten herumliefen und auch überhaupt keine Panzer dort stünden.«

Einer der Militärhunde, eine aggressive Rasse, die in den letzten Jahren in diesem Land zur Verteidigung gezüchtet worden war, für den Staatsschutz, wie uns die Frau an der Rezeption erklärt hatte, stand noch immer im Schatten einer der Panzer, als wir noch einmal die Allee hinuntersahen.

Im Bad hustete ich Blut. Wenn ich nervös war, hustete ich Blut. Ich hatte es Ava nie gesagt. Schon als Kind hatte ich es getan. Es hatte den Eltern Angst gemacht und den Kindergärtnerinnen hatte es Angst gemacht und schließlich hatte ich beschlossen, nicht mehr darüber zu sprechen. Ich spuckte das Blut ins Waschbecken und spülte es hinunter.

Im Badmülleimer lagen die Knochen der Chickenwings. Ava hatte sie dort hineingeleert und als ich mich später noch einmal ins Bett legte, kam diese Angst in mir hoch, die zu einer Panik wurde, dass die Hunde in unser Zimmer kommen könnten, wenn sie die Knochen der Chickenwings röchen. Obwohl sie nicht im Hotel, sondern auf der Straße herumliefen, schlief ich ein mit dieser Angst, die im ganzen Körper brannte.

 

Am Nachmittag duschte Ava noch einmal. Weil sie nicht wüsste, was sie sonst tun solle, sagte sie.

Ich konnte die Knochen der Chickenwings aus dem Bad riechen. Ich prüfte meine Kleidung und stellte fest, dass auch sie roch. Ich schwitzte und mein Schweiß roch ebenfalls nach Chickenwings.

Die Werbung im Fernseher, den ich eingeschaltet hatte, pries eine einheimische Fluggesellschaft an und ich fragte mich, ob wir je wieder hier herauskommen würden. Das Hotelzimmer war die Schlucht, in die wir letzte Nacht hineingerutscht waren, eine Stille, die sich überallhin ausbreitete, die sogar Ava im Bad verschlang. Sie war aus meinem Wahrnehmungsraum geglitten, sobald sie ins Bad hineingegangen war, ich konnte sie nicht erinnern. Ich rief ein Foto auf meinem Smartphone auf, um mir ins Gedächtnis zu rufen, wie sie aussah, doch sobald ich es wegdrückte, war sie so weit weg, wie die Hunde hinter den Panzern für mich weit weg waren, weil plötzlich alles gleichermaßen unwirklich schien. Nur die Angst war echt und weil der Geruch der Chickenwings mich an sie erinnerte, verschwand sie nicht.

Ava kam aus dem Bad, sie war noch nackt und trocknete sich die Beine ab.

Kurz darauf rief die Rezeption an. Man hatte Shuttles organisiert, die uns zum Flughafen zurückbringen sollten. Ava sagte, sie habe Hunger und dass sie noch einmal Chickenwings essen wolle. Ich sagte, dass ich zum Flughafen wolle.

 

Als die Shuttles kamen, schirmten bewaffnete Männer des Militärs die Einfahrt zum Hotel ab. Mit den Koffern stiegen wir die Treppe in den kleinen Bus nach oben. Irgendwo zwischen dem Flughafenhotel und dem Flughafen hielt der Bus an und ein Offizier verlangte nach Papieren, die der Fahrer aus dem Fenster reichte, als hätten wir gerade eine Grenze passiert, als hätten wir nicht einige Meter, sondern viele hundert Kilometer zurückgelegt. Das Flugfeld erstreckte sich neben uns und erinnerte an eine Wüste ohne Ränder.

Ava legte ihre Hand auf meinen Arm. »Die Hunde«, sagte sie und deutete das Flugfeld hinunter, wo zwei der Hunde im Panzerschatten saßen.

»Nein«, schrie ich, als ich sah, wie sich ihnen jemand mit einem auf sie gerichteten Gewehr näherte. Die Türen des Busses schlossen sich. Ich öffnete die Augen erst wieder, als wir vor dem Flughafeneingang hielten.

»Wir sind nicht dabei gewesen«, sagte Ava.

Ich nickte, viel später erst, als wir bereits in die Maschine stiegen. Wie immer lösten das grelle Blau der Sitze und die Enge des Flugzeugs Schwindel in mir aus. Ava nahm meine Hand und las die Snackkarte.

Wir hoben ab. Ich blickte auf das Flugfeld. Hunde im Panzerschatten, der sie schwarz färbte wie die Nacht. Ich erkannte ihre Umrisse nur unscharf. Später bestellte Ava Chickenwings. Vom Geruch wurde mir schlecht.

 

Ava hatte die Schachtel mit den restlichen Chickenwings von sich geschoben, sie hatte sich die Finger abgeleckt und dann die Serviette, an der sie die nassen Finger abgewischt hatte, in das Netz am Sitz vor sich gesteckt.

»Nichts«, sagte ich, und meinte die letzten Stunden, weil irgendwie davon jetzt schon nichts mehr übrig war.

»Ich kann nicht verstehen, was geschehen ist«, sagte ich, »nichts bleibt, aber trotzdem sind da diese Spuren, die den Eindruck erwecken, dass etwas gewesen sein muss.«

»Ich hab frisch gewaschene Haare«, sagte Ava, »das muss ein Zeichen sein, dass ich irgendwo gewesen bin, dass ich dort geduscht habe, das ist ein Zeichen, dass ich irgendwie dabei gewesen bin.«

Und ich schob Ava ein wenig auf ihre Seite, weil sie diese Angewohnheit hatte, immer etwas mehr Platz einzunehmen, als ihr zustand. Ava war dünn, aber ihr Organismus konnte sich aufquellen, das hatte ich schon immer an ihr bewundert, dass Ava die Fähigkeit hatte Raum einzunehmen, egal, wo sie war. Ich sah aus dem Fenster, die Wolkendecke unter uns war dicht. 23 Stunden, dachte ich, und ob wir etwas begriffen haben würden, wenn wir angekommen wären, fragte ich mich, und dass das äußerst ungewiss wäre, dachte ich auch.

»Ava«, sagte ich, »ist es nicht, als wäre diese Erfahrung immer schon da gewesen, als hätten wir immer schon gewusst, dass das, was wir für uns hielten, durch die kleinste Unsicherheit jederzeit ausgelöscht werden könnte?«

Ava murmelte etwas, das ich nicht verstand. Dann schlief sie ein. Wir bewegten uns lautlos über den Ozean. Es roch nach Fett.